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17 04 | '12

Kleine Fehlerpsychologie

Ausgerechnet in einen Kugelschreiber musste ich mich verlieben! Ein Bleistift wäre die perfekte Ehe gewesen - er ist anpassbar, seine Taten lassen sich jederzeit rückgängig machen... Aber ich mag den Bleistift nicht. Bleistift hat immer so etwas Vergängliches. Wehe, man vergisst hinterher das Fixierspray! Dann kannst du von Glück reden, wenn man im Nachhinein noch erraten kann, was du gezeichnet hast.

 

Ich kann den Kugelschreiber auch sanft benutzen - leichte Skizzierlinien zeichnen. Und dann mit aller Härte zuschlagen. Schraffuren, Konturen, nichts lässt sich mehr entfernen. Und irgendwann kann man keine stärkere Linie mehr drüber ziehen, um doch noch zu zeigen, was man eigentlich zeigen wollte.

 

Im Moment arbeite ich gerade an einem Comic. Ich zeichne ihn bewusst in das Skizzenbuch, damit ich die Scheu verliere. Trotzdem - jedes neue Panel, jeder neue Teil der Geschichte ist wieder ein Schritt in den Abgrund. Was ist, wenn ich die super gezeichnete obere Hälfte der Seite ruiniere? Und zwangsläufig kommen die Fehler. Hier eine Wimper doppelt, dort ein Haus zu viel, das ich zu gerne wieder ausradieren würde, dort eine Holzmaserung, die sich im Nachhinein als komplett überflüssig erweist.

 

Anfangs habe ich mich unglaublich über die Fehler geärgert. Wer wünscht sich nicht ein perfektes Kunstwerk? Inzwischen nerven mich die Fehler immer noch, aber ich kann ihnen gelassener begegnen. Was ich für die Anmeldung in Luzern abgegeben habe, war nicht perfekt. Ich hätte es wesentlich besser machen können, hätte ich mehr Zeit gehabt. Was ich hier in mein Heft zeichne, ist nicht perfekt. Aber - hätte ich gewusst, dass das Haus dort blöd aussieht, wenn ich es nicht dahin gezeichnet hätte? Und vielleicht hätte sich die doppelte Wimper als kleiner Geniestreich herausgestellt, der der Figur eine ganz persönliche Note verleiht.

 

Ich mache immer noch nicht gerne Fehler. Aber ich habe es schon lange vor mich her geschoben, Comics zu zeichnen, obwohl ich wirklich Lust darauf hatte. Nur, weil ich Angst hatte, es würde nicht gut herauskommen. Dabei bin ich besser, als ich es erwartet hätte. Und mit jedem Panel werde ich noch besser.

 

Was ich daraus lerne? Lieber Fehler machen und überhaupt etwas machen. Das ist allemal besser als nichts tun und meiner Angst nachzugeben. Ich kann vielleicht nicht gut zeichnen. Aber das hält mich nicht davon ab, das zu wollen und es auch zu tun. Ich werde in Zukunft versuchen, mich in lustvollem Versagen zu üben.