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18 12 | '14

Petscha Kutscha

Die Pecha Kucha Präsentationsform ist im Original: 20 Folien, die jeweils 20 Sekunden lang gezeigt werden. Unser Format ist ein wenig kürzer: 15 Folien à 15 Sekunden.

Ich habe mich heute selbst verflucht. Natürlich konnte ich es wieder einmal nicht dabei belassen, einfach irgendein Projekt zu beschreiben und fertig. Ich musste natürlich eine Metapher für den kreativen Prozess finden, daraus eine Geschichte bauen und dann noch sämtliche 15 Bilder innerhalb von einem Tag erstellen! Natürlich!

Mit einigen Bildern bin ich nicht zufrieden. Aber andererseits will ich mir nun auch nicht mehr die Nächte um die Ohren schlagen, um die perfekte Präsentation hinzubekommen. Inzwischen weiss ich: wenn ich meine Grenzen dermassen überschreite, büsse ich die folgenden Tage dafür.

Hier ist der Text:

1 Ich bin auf einem Schiff, das im Atlantik unterwegs ist. Aber irgendwie habe ich noch Mühe mit der Navigation und ich weiss auch nicht, wo das Reiseziel sein wird.

 

2 Und während ich noch versuche, den Kompass in den Griff zu kriegen, gibt es Feedbacks und Kommentare. Dozent A sagt: Da ist Osten. Dozentin B findet, das stimmt nicht, Osten ist doch ganz woanders. Eine Schulkollegin findet eine dritte Richtung, in der Osten sein könnte.

 

3 Und ich finde eine vierte Richtung, in der ich den Osten vermute. In einem Anfall von Frustration frage ich mich, ob deren Kompass vielleicht kaputt ist. Die haben doch alle keine Ahnung von Navigation! 

 

4 Bis mir eine Idee kommt: Vielleicht ist der Osten gar nicht absolut? Vielleicht hat jeder seinen eigenen Osten? Oder vielleicht weiss gar keiner genau, wo der exakte Osten eigentlich ist?

 

5 Und dann sagt mein Herz plötzlich: Ich will gar nicht nach Osten, ich will nach Westen! Ich will die warme Sonne, den Regenwald.

 

6 Dozent xyz findet das unsinnig. "Im Westen ist nur endloses Meer, du wirst verhungern, bevor du Festland erreichen kannst."

Ich fange an zu zweifeln. Aber mein Gefühl sagt mir trotzdem immer noch, dass da der fruchtbare Regenwald ist, mit vielen tropischen Früchten.

 

7 Meine Hände zittern ein wenig, als ich das Steuer herumreisse und nach Westen abdrehe. Beziehungsweise dorthin, wo ich den Westen vermute, denn der ist genauso wenig absolut.

 

8 Meine Reise dauert sehr lange. Ich spüre langsam quälenden Hunger. Und während ich so weitersegle, tritt plötzlich Windstille ein. Ich muss angestrengt rudern, um vorwärts zu kommen, Meter um Meter quäle ich mich vor. Ich kämpfe ausserdem mit Skorbut und lästigem Ungeziefer.

 

9 Ein Sturm kommt auf. Die Wellen peitschen so hoch, dass mein Schiff beinahe kentert. Ich zweifle an meiner ganzen Reise, verfluche die Richtung, die ich eingeschlagen habe. Wieso zur Hölle habe ich mir das bloss angetan?

 

10 Und dann plötzlich: Land in Sicht. Ungefähr so muss sich die Erleichterung und die Euphorie der früheren Seefahrer angefühlt haben. Ich lege an Land an und geniesse die tropischen, saftigen Früchte. (argumentation) Noch bin ich aber nicht am Ziel.

 

11 Mit vollem Magen und neuer Energie reise ich weiter. Und dann passiert das Absurde. Als ich das nächste Mal Land erblicke, steht der Dozent schon dort. "Willkommen im Osten! Du hast es geschafft!", sagt er. "Nein, das hier ist doch der Westen!", antworte ich fassungslos.

 

12 Im Nachhinein frage ich mich, ob der Osten, von dem der Dozent sprach, meinem Westen entspricht. Oder habe ich einen langen Umweg über die halbe Erdkugel gemacht, der aber spannender war als die kurze Route? Keiner wird es je wissen.

 

13 Und wenn ich mal im Meer untergehe, weil mein Kompass mich in die Irre geführt hat, dann ist es eine Erfahrung mehr. Dann kann ich den Kompass wieder ein Stückchen besser kalibrieren, so dass er mich in Zukunft besser ans Ziel führt.

 

14 Im Gegensatz zum echten Leben ist es nämlich nichts Schlimmes, im Meer zu ertrinken oder sich zu verirren.

 

15 Schlimm wäre nur, die Reise gar nicht erst anzutreten.