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10 09 | '14

Siebdruck: tierische Taschen im Lösungsmitteldunst

Ich sitze wieder einmal im Zug. Diesmal bin ich auf dem Heimweg. Es ist halb neun abends. Draussen ist es schon dunkel. Gerade verspeise ich eine Prinzenrolle, eine Fertigpizza ist im Handgepäck dabei. Wieder einmal verfluche ich mich.

Aber fangen wir doch von vorne an. Angefangen hat es damit, dass ich zwei Wochen Siebdruck gebucht habe. "Was ich an Knowhow kriegen kann, will ich haben", hab ich mir gesagt. Nachdem wir in der ersten Woche Postkarten gedruckt haben, um das Siebdrucken an sich einmal zu lernen, durften wir uns in der zweiten Woche ein eigenes Projekt aussuchen.

Die Lösungsmitteldämpfe müssen mein Gehirn eingeweicht haben, dass ich auf die Idee gekommen bin, Stoff zu bedrucken. Ich wollte Taschen herstellen. Mit dem unangenehmen Gefühl im Bauch, dass alles ganz furchtbar schief gehen wird. Ich hatte noch nie eine richtige Tasche genäht, mit Siebdruck hatte ich gerade mal eine Woche Erfahrung.

Als erstes nähte ich eine Dummy-Tasche. Anschliessend fotografierte ich die Tasche und benutzte sie im Photoshop als Hintergrund, auf den ich nun meine Motive legte.

Heute kam dann das, was man gemeinhin gewaltig unterschätzt. Sämtliche Ebenen schwarz einfärben, verschiedene Farbschichten auf verschiedene Seiten verteilen, Drucken. Drucken, so ein kurzes Wort. Synonym für: du setzt dich an den Computer, öffnest die Datei, drückst auf "drucken", gehst zum Druckerkopierer, nur um dann festzustellen, dass dieser Idiot dir Farbkopien à 50 Rappen statt der schwarzweissen à 10 Rappen druckt und dann auch noch doppelseitig! Doppelseitig nützt nix, weil das zum Belichten nix taugt, wenn da noch graue Flecken durchscheinen. Und dann gibts auch noch hässliche schwarze Schlieren über dem Motiv. Keine Ahnung, wer da wieder mal was kaputt gemacht hat. Also nochmals zurück zum Compi, alternativen Drucker anwählen. Ich vergesse wieder, dass die Seiten doppelseitig rauskommen. Kopierkarte leer. Also vom dritten Stock runter ins Erdgeschoss. 

Ich wäre ja der Meinung, man sollte den Automaten zum Aufladen der Karte am anderen Ende der Stadt aufstellen, damit er so weit wie möglich vom Kopierer entfernt ist. Aber gut. Wieder zurück in den dritten Stock. Neun Seiten jeweils einzeln drucken und eine Stunde später habe ich dann tatsächlich die Motive schwarz auf weiss auf Papier.

Ich schaue nach draussen. Der Zug bremst gerade. Zwischenhalt. Das dauert ja noch ewig, bis ich zu Hause bin! Ich futtere eine weitere Prinzenrolle und denke ans Thema "gesunde Ernährung".

Dann gings ans Belichten des Siebs. Man muss sich das so vorstellen: man oder frau schmiert eine Pampe vorne und hinten auf das Sieb. Dann legt man da ein Blatt Papier oder eine Fole drunter, auf dem das Motiv schwarz drauf gedruckt oder gemalt ist. Das ganze kommt in so einen Apparat, kriegt kräftig Höhensonne ab und dort, wo das Licht hingelangen kann, wird die Pampe fest. Wenn man jetzt das Sieb mit Wasser kräftig spült, geht überall dort die Pampe weg, wo das Licht nicht hingelangt ist. Nur dort kann nachher Farbe durch das dicht gewebte Stoffgitter gelangen.

Und abends um fünf konnte ich dann anfangen, zu drucken. Zunächst habe ich ein paar schüchterne Versuche auf Papier gemacht, um die Siebe zu testen. Irgendwann wollte ich es dann doch noch wissen und hab angefangen, auf Stoff zu drucken. Die ersten Drucke gerieten gut. Ich war unglaublich erleichtert, dass es funktionierte, dass die ganze Sache doch nicht in die Hose gegangen war.

Zwei Stunden giftige Luft einatmen, danach raus aus der Werkstatt, lautet die Regel und die ist auch an mehreren Orten angeschrieben. Ich weiss nicht, ob es die Lösungsmitteldämpfe waren oder ob ich meine Begeisterung nicht zügeln konnte, aber abends um acht fand ich mich dann immer noch in der Werkstatt wieder und hustete fleissig vor mich hin. Die letzten beiden Drucke verschwammen, weil ich vergessen hatte, die Siebe zu trocknen und die Farbe deshalb zu feucht wurde.

An dem Punkt schaltete sich mein Gehirn dann doch wieder ein und zog die Notbremse. Zwei ruinierte Stoffstreifen reichen.

Leider bedeutet Druckwerkstatt immer: wenns zu Ende ist, geht der Spass erst richtig los. Wer sich nicht am nächsten Tag an der eingetrockneten Farbe zu Tode schrubben will, putzt jetzt gleich Rakel, Sieb und den Tisch.

Und jetzt sitze ich immer noch im Zug. Noch acht Minuten, bis ich zu Hause bin. Vor dem Fussweg graust mir jetzt schon. Und die Fertigpizza ist auch nicht gerade der kulinarische Höhepunkt dieser Woche. Wieder einmal habe ich vergessen, rechtzeitig aufzuhören. Ich bin über meine Kräfte hinaus gegangen und das schon zu Anfang des Semesters. Und wieder einmal nehme ich mir vor: ab jetzt wird das besser. Genügend Pausen, genug zu Essen und vor allem: rechtzeitig Feierabend machen.