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03 05 | '14

Tag 2: Zeichnen auf der Baustelle

Der eine Bauarbeiter hat mich wiedererkannt. Meine Bilder gefielen ihm. Kann er gut genug deutsch? Er reagiert verzögert. Vielleicht sollte ich besser Hochdeutsch sprechen? Ich hoffe, ich gehe den Leuten nicht schon auf die Nerven...
Nach einem ersten Bild fällt meine Leistung rapide ab. Ich brauche die Einsamkeit zum Zeichnen - aber überall treffe ich auf Mitstudenten. Das gibt zwar gute Gespräche, aber schluderige, unkonzentrierte Zeichnungen. Reicht ein gutes Bild für einen Tag?
Ich hab heute Abend noch einen Termin und muss deshalb früher weg. Soll ich die verbleibenden fünfzehn Minuten noch durchzwängen? Ich entscheide mich dagegen. Diese Seite der Baustelle ist blöd. Hier ist die "Showbaustelle". Dieses riesige Teil, das Löcher in den Boden bohrt, der Aussichtsturm, die interessierten Rentner. Fehlen nur noch die Fernsehkameras. Mir fehlt die Nähe zu den Leuten, wie an der anderen Ecke vorhin. Ich will mit ihnen reden können, will erfahren, wer sie sind. Wie fühlt es sich an, als Bauarbeiter zu leben?
Grundsätzlich lehne ich Baustellen eher ab. Unsere Welt ist so schon verbaut genug. Die Menschen dagegen interessieren mich. Wie kommt jemand dazu, Bauarbeiter zu werden?

Auf dem Weg zu meinem Termin habe ich Kopfschmerzen. Durst. Meine Lippen brennen. Habe ich mir einen Sonnenbrand eingefangen? Die Fusswege um die Baustelle rum sind lang. Von einem Ort zum nächsten muss man ständig Umwege gehen. Morgen ziehe ich die bequemen Wanderschuhe an! 
Ich will nur noch nach Hause, was trinken und eine Dusche nehmen, um den Strassendreck abzuspülen. Und ins Bett. Und morgen dann auf eine neue Zeichnung.