Back to top
18 09 | '13

Und die Praxis: die Textilwerkstatt

Am Nachmittag durfte sich jeder eine Werkstatt aussuchen, um dort eine Einführung bzw. einen kleinen Schnupperkurs zu bekommen. Ich war in der Textildruckwerkstatt. Besonders beeindruckend fand ich den Schrank, auf dem gross und deutlich "Gift" stand. Mein T-Shirt wurde mir plötzlich ein bisschen unheimlich... Die Decke zierten ein rotes und ein gelbes Alarmlicht. So ähnlich wie das Blaulicht der Polizei. Rot, wenn das Belüftungssystem nicht mehr richtig funktioniert. Gelb, wenn der Abwassertank voll ist, in dem sich die ganzen Chemikalien sammeln sollen. Musste ich mir Sorgen machen?

Die sympathischen und gar nicht unheimlichen Mitarbeiterinnen führen uns dann jedoch wieder weg von den Giftschränken hin zu zwei langen Tischen, auf dem sich Stoffstücke befanden. Wir durften uns welche schnappen und dann gings los mit dem Siebdruck. Im Prinzip geht das so: Sieb drauf, Farbe drauf, so eine Art Fensterschaber drüber ziehen. Nach jeder Farbe nach hinten in den Nassraum, Sieb putzen, "Fensterschaber" (Rakel genannt) putzen, Sieb trocknen und wieder von vorne. Ich habe ein kleines Video gedreht, das ihr euch ansehen könnt. Die Musik stammt von hier.
 
 
Dann ging es zu den Nähmaschinen. Die Nähmaschine ist ja meine kleine Neuentdeckung seit einiger Zeit. Ich hätte gut und gerne Lust, damit irgendwann auch zu illustrieren. Auch hier lauern die Gefahren. Die Industriemaschinen sind mit einem Messer ausgestattet, das den Stoff gleich mit schneidet - und wären sie ein Auto, wären sie wohl ein Formel 1 Ferrari. Ich vermute, dass eine geübte Schneiderin damit innerhalb von 5min ein ganzes T-Shirt zusammennähen kann. Seitdem sich meine Grossmutter eine Nähmaschinennadel durch den Finger gerammt hat, habe ich vor den Dingern gehörigen Respekt. Messer *und* Nadel waren mir dann doch etwas zu viel. Zum Glück gibt es für Angsthasen wie mich aber auch noch die normale Haushaltsnähmaschine.
 
Noch ein philosophischer Nachtrag:
Mein abgebrochenes Publizistikstudium bricht mit mir durch, fällt mir gerade auf. Diese täglichen Berichte bekommen immer mehr journalistische Züge. Wieder einmal frage ich mich, an welcher Ecke ich eigentlich zu Hause bin. Will ich Comics zeichnen, Geschichten erzählen, bin ich bald eine journalistische Illustratorin oder mache ich bald bissige politische Karikaturen? Komme ich doch wieder zurück zum Schreiben? Es scheint, als hätte ich gleich zwei fleissige Händchen, die ständig tun, was sie wollen. Und ich stehe dann erstaunt davor und denke: "Ah, das ist es offenbar, was ich machen will." Ich werde von meinen Händchen geradezu überrumpelt. Und doch ist das extrem spannend. 
Unser Dozent sagte: "In zehn Jahren werden einige von euch nicht als IllustratorInnen arbeiten. Ist das schlimm?" Eigentlich nicht. Ich spüre immer wieder, wie alle Fäden zusammen laufen. Publizistikstudium, Informatik im Nebenfach - wenn auch ohne Abschluss, ich habe nichts umsonst gelernt. Am Schluss fliesst alles ineinander und ergibt ein Spinnennetz, das einzigartig ist. Nur der eigene Lebensfaden kann es genau so formen, wie es aussieht.