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09 10 | '16

Der Gedanken-Vogel im Weltall

Was physikalischer Raum ist, hab ich jetzt dank dieser einen Doku langsam kapiert. Der ist also relativ, kann gebogen und verzerrt werden. Und dann sind wir Menschen unglaublich aufgeblasen, denn wenn man aus den Atomen den ganzen Leerraum rausnehme würde, bliebe nicht mal ein Reiskorn übrig. Das erklärt einiges: die Menschheit hat im Gehirn mehr Hohlräume als feste Masse. Grad fühle ich, wie sich der Raum in meinem Gehirn langsam auseinander faltet wie so ein Origami-Vogel. Meine Damen und Herren, falls Sie ein Rauschen über sich hören – das war mein Gehirn-Vogel, der gerade davon geflogen ist. Wenn er so einen Ikarus-mässigen Stunt hinlegt und er vom Aufprall mit dem Fussboden wieder zusammengefaltet wurde, führe ich ihn gern übers rechte Nasenloch wieder dahin zurück, wo er her gekommen ist.

Aber ich war bei den Räumen. Wenn die physischen Räume relativ und flexibel sind, müssten das nicht auch die Denkräume sein? Eine Dozentin hat mir mal gesagt: "Wenn du genau weisst, was du machen willst, dann komm zu mir. Ich treibe dir das wieder aus." Sie hatte Recht damit und ich war immer wieder verblüfft, wie unglaublich engstirnig mein Denken war (und immer noch ist) – ich sah sozusagen den Freiraum vor lauter Atomen nicht mehr. Als wäre mein Denken wie ein A1-Blatt, das auf Daumennagelgrösse zusammengefaltet worden ist. Und manchmal war's nicht lustig, wenn ich grad die Steilwand hoch geklettert war, gerade die Hand auf die Kante gesetzt hatte und mich über den Rand hangeln wollte – da schubste sie mich wieder runter. Aber es war das Richtige. Gewissheiten hinterfragen und vor allem nicht diese verdammten fixen Konzepte im Kopf haben.

Beim Vertonen meines Films fällt mir das gerade schwer. Es soll cool klingen, es soll dem Konzept gerecht werden, es soll... Mein Gehirn-Vogel pickt grad ein paar Körner und schüttelt sich. Das Futter schmeckt ihm nicht (kein Wunder, mein Vogel steht auch mehr auf Lebkuchen, wenn er nicht grad Gretels Brotkrummen frisst). Dann fängt er an, sein Origami-Gefieder zu putzen, wobei jede Menge Konfetti zu Boden fallen. Bereitwillig hüpft er auf meinen Finger, den ich ihm hin strecke. Ich öffne das Fenster. Er schaut mich fragend an. "Na los doch!" Eine Stunde Freiflug kann ja nicht schaden. Mal schauen, ob ich ihn danach wieder in den Käfig sperre.

Und während mein Vogel auf Freiflug ist, lösche ich im Oberstübchen das Licht. Nur eine kleine Kerze lasse ich an. In einer halben Stunde wird aber auch da der Docht glimmend ausgehen und etwas Rauch wird aus meiner Nase aufsteigen und wer genau hinschaut, wird vielleicht am Himmel dann ein paar Rauchzeichen erkennen, die besagen: "Ich schlafe jetzt."

Ich hoffe, mein Vogel verdirbt sich beim Freiflug nicht den Magen – das könnte in gedanklicher Diarrhöe enden.

In dem Sinn: Gute Nacht und süsse Träume.