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04 10 | '16

Die Pisslache

Vor einigen Tagen hatte ich einen ganz besonderen Moment. Ich spazierte so da am Fluss entlang und hörte diese romantisch-nachdenkliche Musik. War nachdenklich gestimmt. Bis ich den Text hörte. Die Sterne glitzerten nicht mehr in ihren Augen, er fand das furchtbar schade und beschloss, zu warten, bis die Sonne wieder aufgeht. Genau in dem Moment ging ich an einer Ecke vorbei, an der es furchtbar nach Pisse roch. "Was magst du lieber", fragte ich mich da selber, "den Song oder den Duft nach Pisse?"

Die Antwort fiel mir nicht schwer.

Die Pisse.

Die Pisse geht nicht in den Laden, kauft sich Lebensmittelfarbe und färbt sich rosa. Sie besorgt sich auch kein ekelhaft süsses Vanille-Parfum, damit sie riecht wie ein frisch gebackener Cupcake. Sie stinkt, sie ist pissgelb und sie hinterlässt hässliche Flecken auf dem Fussboden. Der Sonnenuntergang ist dermassen ausgelutscht, den kannst du nicht mehr bringen. Ausser vielleicht so: "Er erwachte in seiner eigenen Pisslache in der Gosse. Er hatte noch genügend Restalkohol im Blut, um betrunken zu sein – aber nicht genug, um seinen höllisch schmerzenden Kopf nicht zu spüren. Seine Fäuste waren überzogen von verkrustetem Blut. Er konnte sich an nichts erinnern. Da ging die Sonne auf – zunächst nur ein heller Streifen am Horizont, dann wurde die Gasse in ein warmes Orange getaucht. Er schloss die Augen und genoss die Wärme auf seinem Gesicht. Sein Leben war beschissen, aber für einen Moment war er glücklich."

Dann würde er vermutlich aufstehen und dabei hätte er die Sternchen nicht IN den Augen, sondern davor, wenn sein Kreislauf kollabiert.

Wenn der Song sowas als Text hätte, würde der Produzent allerdings im Viereck springen – auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Verkaufszahlen dann wirklich schlechter wären.

Ich geh jetzt meinen Film vertonen.