Die rasenden IllustratorInnen
Nun ist es also soweit. Das letzte offizielle Modul vor der Bachelor-Arbeit ist angebrochen. Und damit wir auf die Zeit nach dem Studium vorbereitet sind, tauchen wir langsam auf aus unserer gestalterischen Firlefanz-Welt und begeben uns hinaus ins echte, harte Leben. Wir sollen ein visual essay, eine gezeichnete und geschriebene Reportage machen. Yves Nussbaum und Pit Wuhrer haben uns das Wichtigste mitgegeben und dann hiess es: jetzt los.
Dazu muss gesagt werden, dass IllustratorInnen nicht unbedingt völlig kontaktfreudige, extrovertierte Menschen sind. Sonst wären sie wohl SportreporterInnen oder Anwälte geworden. "Ich wollte Illustrator(In) werden, damit ich eben meine Ruhe vor den Menschen habe - und jetzt bin ich gezwungen, wieder mit denen zu reden!", habe ich kürzlich auch schon gehört.
Nun, ich habe mir für meine Reportage eine sehr kontaktfreudige Spezies ausgesucht, nämlich die Politiker. Beim Recherchieren ist mir aufgefallen, dass nächste Woche die Wintersession von Stände- und Nationalrat beginnt und man als Besucherin auf die Zuschauertribüne sitzen darf.
"Stimmen" lautet das vorgegebene Thema für die Reportage. Stimmen können Wählerstimmen sein, aber auch gesprochene und gehörte Stimmen. Oder eben auch Sprache. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich neu in das Publizistik-Studium kam. In der ersten Woche hört man ja mal alle Vorlesungen durch, um sich dann zu entscheiden - zumindest war das zu meiner Zeit im Lizenziats-System noch so. Und meine erste Vorlesung war einfach grauenhaft. Ich sass da und fragte mich: Ist das wirklich deutsch, was der da redet? Ubiquitär wurde zu meinem ersten Lieblingswort. Später folgten latent, peripher und das allerschönste von allen: Autopoiesis. Ich bin heute der Meinung, dass die Universitäten ihren Studierenden kostenlos ein Wörterbuch schenken sollten als Ausgleich für diesen Kulturschock - das nur am Rande.
Jedenfalls habe ich irgendwann einmal begriffen, dass diese schönen Fachwörter sehr oft dazu dienen, ein bisschen "die Muskeln spielen zu lassen". Die Leute sind beeindruckt und geben natürlich nicht zu, dass sie kein Wort verstanden haben. Also habe ich mich gefragt, ob das in der Politik vielleicht genauso ist. Zum einen verwenden manche Politiker Latein als Deutsch in ihren Sätzen, auf der anderen Seite aber werden Inhalte bei politischen Kampagnen gerne extrem reduziert und vereinfacht formuliert. Und irgendwo da in diesem Bereich will ich meine Geschichte für die Reportage finden.
Ich muss sagen, dass ich vor einer gewaltigen Herausforderung stehe. Wer meinen Blog ein wenig verfolgt hat, weiss, dass ich nicht wirklich zeichnen kann. Aber da ich wohl schlecht meine Collageschnipsel über die ganze Tribüne verstreuen oder eine Druckerpresse ins Bundeshaus einschleusen kann, werde ich gezwungen sein, zu zeichnen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon die anderen Besucher, wie sie neugierig in mein Skizzenbuch äugen und dann gequält lächelnd sagen: "Das sieht aber schon gut aus! Nur weiter so!" Meine Lösung vorerst: mit Pinselstiften arbeiten, das sieht wenigstens nicht ganz so mies aus wie mit Finelinern. Und ein möglichst isoliertes, dunkles Plätzchen in der Ecke suchen, wo ich nicht auffalle).
Soweit, so gut. Die Fortsetzung folgt nächste Woche.