Back to top
29 11 | '16

Ein kleiner Sabbatical-Bruch – abgeflammte Achselhaare

Die letzten zwei, drei Wochen haben mein Leben ziemlich verändert. Es fing wohl damit an, dass ich auf der Toilette war. Normalerweise lese ich da gerne was – aber manchmal vergesse ich den Lesestoff und dann lese ich halt, was da ist. In diesem Fall die Rückseite meines Deo-Sprays. "Warnhinweise: nur unter den Achseln verwenden." Also – auf mein Frühstücks-Müsli wollte ich das jetzt nicht drauf machen. "Direktes Einatmen vermeiden." Gut, Deo-Schnüffeln ist jetzt auch nicht mein Ding. Obwohl die Wirkung natürlich noch interessant sein könnte... "Benutzung ausschliesslich gemäss Verwendungszweck." Äh... wofür genau würde man ein Deo-Spray sonst noch...? Ich will's lieber nicht wissen. "Bei Auftreten von Hautirritationen nicht weiter verwenden." Gut. Mach ich nicht. "Nicht gegen offene Flamme oder andere Zündquellen sprühen." Beim Joggen wird es gelegentlich recht warm unter den Achselhöhlen – aber nie dermassen, dass mir dabei die Achselhaare abgeflammt wären. Obwohl das natürlich noch praktisch wäre. Spart eine Rasur. "Nicht rauchen." Mach ich nicht, schmeckt mir nicht. Aber dieses Deo hält 48h an – heisst das, 48h Rauchverbot? Dann hat man die Wahl, entweder zu stinken oder zu rauchen? Das Leben ist manchmal wirklich ungerecht.

Da stehen also alles Dinge drauf, die man nicht tun sollte, weil jemand ängstlich davor warnt. Was wäre, wenn auf unseren Deo-Flaschen stehen würde: "Serviervorschlag: mal als Fussspray benutzen. Hilft übrigens auch gegen Filzläuse, auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass Sie welche haben. Und wieso nicht mal dem stinkigen Nachbarshund eine Sprühportion verpassen – oder noch besser: dem Herrchen, das inzwischen nämlich auch nur noch nach nassem Hund riecht. Biologisch abbaubar. Kann auch auf mit Erdbeeren ins Frühstücks-Müsli gegeben werden. Und auf Papier gesprüht ergibt das Deo eine wunderschöne blaue Farbe, die Sie zum Malen verwenden können. Ergibt mit einem Feuerzeug einen herrlichen Flammenwerfer – welcher auch zum Abflammen der Achselhaare verwendet werden kann." Das wäre mal eine Botschaft, die ich mir wünschen würde. Eigentlich müsste jeder Mensch gleich nach der Geburt eine Tätowierung auf den Unterarm bekommen: "Warnhinweis: stirbt irgendwann. Sollte liebevoll behandelt werden. Leben nicht vergessen."

Vielleicht dazu noch eine letzte kleine Geschichte, bevor ich den Abend beschliesse und in mein Sabbatical zurückkehre. Nach dem Studium hab ich online einen Auftrag ergattert, bei dem es um eine Animation ging. Ich bin also dahin und als er fragte, ob ich das kann, meinte ich im Brustton der Überzeugung: "Klar, kann ich!" Als ich den Auftrag hatte, bin ich erstmal heim, hab drei Skizzen gemacht und dann angefangen, Blut und Wasser zu schwitzen. Meine finanzielle Existenz hing davon ab, dass ich das Geld nach der vereinbarten Deadline bekommen würde – oder ich wäre pleite. Wunderschöne Situation, nicht? Schliesslich hab ich ein 3D-Modell anhand von Blueprints erstellt und das animiert. Das hat mich zwar auch Nerven und viel Energie gekostet, weil ich vieles erst neu lernen musste. Aber Mann, was war ich stolz, als ich es tatsächlich geschafft hatte! Jeder hätte mich gewarnt, ich solle erstmal richtig animieren lernen. Und ja, ich hätte damit auf die Nase fallen können. Und dann? Dann hätte ich mich beim Arbeitsamt melden müssen – nicht lustig, kann aber überlebt werden, wie ich mir hab sagen lassen. Und hätte einen verärgerten Kunden gehabt. Und hätte trotzdem verdammt viel über 3D-Modellierung in verdammt kurzer Zeit gelernt. Ich hab mir jetzt ein Projekt vorgenommen, das mindestens fünf Schuhnummern zu gross für mich ist – und hab eine Weile wirklich an meiner geistigen Gesundheit gezweifelt. Aber scheiss drauf – die Realisten sollen zur Hölle fahren. Wenn da auf meinem Unterarm stehen würde "Nicht in die Nähe von Träumen lassen. Keinen Risiken aussetzen.", dann kann ich mich gleich in den Sarg legen und abwarten, bis es vorbei ist. Dann muss ich mich nicht abstrampeln. Deshalb hab ich meine Zweifel, so wie jeder, aber die bestimmen nicht mehr länger über das, was ich tue. Ich tätschle ihnen liebevoll den Kopf und geh dann weiter meines Wegs.

Deshalb nochmals der Warnhinweis, der auf jedem Unterarm stehen sollte: "Warnhinweis: stirbt irgendwann. Sollte liebevoll behandelt werden. Leben nicht vergessen."