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09 02 | '12

Ein neuer Blog - ein zweites Leben

Wenn Katzen sieben Leben haben, kriegen Menschen vielleicht ein zweites. Das hier ist also mein zweites Leben. Ein Leben in der Welt der Gestaltung.

Seit Kindesbeinen wollte ich am liebsten die ganze Zeit kreativ sein. Ich schrieb Geschichten ohne Ende, ich hatte den ersten offiziellen Schneckenzoo und natürlich konnte ich fliegen und mit dem Schwert kämpfen. Während viele Menschen dieser Phantasiewelt entwachsen, wenn sie erwachsen werden, passierte mir das nicht.

Ich sass mit neunzehn beim Berufsberater und hatte nur eines im Sinn: Schriftstellerin werden. Aber wie konnte ich erwarten, davon leben zu können? Also schüttelte ich heftig mit dem Kopf, als er fragte, ob eine Ausbildung in diese Richtung eine Möglichkeit wäre. Ein Journalismus-Studium sollte es werden. Journalismus - das war etwas richtig Erwachsenes, da würde ich Geld verdienen, auf den eigenen Beinen stehen!

Am Anfang des Studiums war ich noch richtig motiviert. Ich liebte den Bahnhof Zürich Flughafen mit seinen bunten Wänden. Ich liebte die Schokokugeln in der Mensa, ich liebte die Ruhe morgens im Vorlesungssaal, ganz allein mit meinem Kaffee und der Zeitung, bevor die ersten StudentInnen eintrudelten. Ich liebte auch das Lernen. Von Natur aus lerne ich wirklich gerne. Wenn es mich interessiert.

Der Journalismus löste sich in Luft auf. Schreiben wollte ich ja - aber dann bitte phantasievoll! Man mag den Medien vorwerfen, dass sie bei manchen Berichten tatsächlich zu viel Phantasie an den Tag legen, aber normalerweise ist diese Qualität dort wenig gefragt. Ich wollte keine trockenen Texte schreiben. Das "Trockene" war es auch, was ich während meiner ganzen Uni-Zeit spürte. Trockene Texte, oftmals trockene Vorlesungen (es waren auch ein paar gute darunter), trockene Theorien. Es fehlte die Lebensfreude, die Phantasie, die Kreativität. Einzig mein Nebenfach Informatik interessierte mich - weil ich durch das Programmieren und das Webdesign etwas schuf, statt nur Fakten in den Kopf zu stopfen. Programmiererin, Lektorin, Webdesignerin... die Berufe flogen rasend schnell an mir vorbei, aber eine Stimme in mir drin protestierte jedes Mal.

Warum? Weil ich versuchte, mich zu verbiegen. Weil ich nach Sicherheit strebte, statt mich weiter zu entwickeln. Natürlich muss man auf eine Art erwachsen werden. Es gibt Steuererklärungen, Stromrechnungen und Essen will gekocht werden. Andererseits gibt es in einem drin ein Kind, das nur darauf wartet, voller Begeisterung loszurennen und die Welt zu entdecken, komplette Welten neu zu erschaffen und die Sterne vom Himmel zu holen. Kinder können so etwas.

Als ich vor einem Jahr einmal ganz zart darüber nachdachte, mich für den Vorkurs an der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste) zu bewerben, verwarf ich den Einfall sogleich wieder. Ich und Zeichnen?! Ich war eine Niete im Zeichnen! Aber da war ständig diese Stimme in mir, die bohrte "aber wenn das tatsächlich gehen würde, dann wäre das doch...". Unglaublich? Grossartig? Wundervoll? Auf jeden Fall!

Ich wurde aufgenommen. Und habe seitdem entdeckt, was es heisst, erwachsen zu werden, ohne die Lebensfreude zu verlieren. Geduld zu haben, durchzuhalten, seinen Ideen zu folgen, ohne sich im Chaos zu verirren. Frustrationen aushalten, statt gleich aufzugeben. Und das Wichtigste: mit einer ganz simplen Idee anfangen, nicht mit einem Meisterwerk.

Tja und dann habe ich einen Fehler gemacht. Ich wollte eigentlich Visuelle Kommunikation studieren. Damit kriegt man später ziemlich sicher einen Job, alles in allem eine gute, solide Ausbildung. Und dann habe ich mich in Luzern nur "aus Spass" noch in die Präsentation des Illustrations-Studiengangs gesetzt. Fiktive Illustration. Fiktion, Geschichten erzählen. Ich sass da und hatte Gänsehaut. Einfach nur Gänsehaut. Man konnte mit Bildern tatsächlich Geschichten erzählen! Als ich draussen war, bereute ich zutiefst, dass ich das nicht würde studieren können - weil man ja mit irgendetwas seine Brötchen verdienen muss. Und mit Illustration wird man nicht reich, man kämpft sich eher so durch.

Keine Ahnung, was dann passiert ist. Aber die Stimme in mir drin begann wieder, zu protestieren.

"Hast du immer noch nicht aus deinen Fehlern gelernt? Du machst schon wieder eine Vernunftentscheidung! Willst du wirklich da drin sitzen und die ganze Zeit Sachen lernen, die dich nur halb interessieren, während du darüber phantasierst, wie schön es jetzt wäre, wenn du zeichnen könntest? Wirst du dann wieder Kreuzworträtsel zu lösen beginnen wie damals in den Vorlesungen? Bist du eigentlich blöd?"

Die Stimme war energisch genug. Und die LehrerInnen von der ZHdK, die mir gesagt haben, dass man sich immer irgendwie durchschlägt. Nächstes Jahr werde ich mich an der Hochschule Luzern für den Studiengang Illustration bewerben. Ich weiss, dass es hart wird. Die Studienplätze sind rar, AnwerberInnen gibt es viele. Aber ich werde die dazu kriegen, dass die mich nehmen. Ich werde mir die Finger wund zeichnen. Ich werde Blut und Wasser schwitzen. Egal. Weil mir das nicht noch mal passiert. Ich will nicht noch einmal am falschen Ort landen. Die Stimme in mir drin ist leiser geworden und freundlicher. Sie findet zwar manchmal immer noch, dass ich mir das Leben einfacher hätte machen können, wenn ich mit 16 einfach Floristin geworden wäre. Aber nur ganz selten. Sie hindert mich auch nicht mehr am Vorwärtskommen. Im Gegenteil, sie treibt mich voran. Wir arbeiten jetzt zusammen statt gegeneinander.

In diesem Blog wird es darum gehen, meine Fortschritte zu veröffentlichen. Damit die Welt an diesem Projekt teilhaben kann. Ich zeige gerne. Ich hab als Kind schon jedem Besucher meine Schneckensammlung gezeigt. Jetzt werden es etwas appetitlichere Dinge sein, hoffe ich. Also - wer wissen will, ob ich es schaffen werde, sollte regelmässig reinschauen und sich selbst ein Bild machen. Bis zum nächsten Mal!