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31 03 | '14

Illustratorin werden - was für eine?

Ich tue mich gerade mit dem aktuellen Modul sehr schwer. Für ein intellektuelles Magazin gelten Beschränkungen - nicht zu vulgär, nicht zu plakativ oder zu offensichtlich. Für eine Auftrags-Illustration (was wir hier simulieren) gelten auch Beschränkungen - so darf die Illustration den Text nicht übertönen, zu stark konkurrenzieren. Ich habe zu dem Thema im Artikel eine sehr klare Meinung, die darf ich aber nicht so deutlich zum Ausdruck bringen, wie ich es möchte - weil der Artikel das Thema auch eher von mehreren Seiten beleuchtet, als eine konkrete Meinung abzugeben. Ich muss mich also stark anpassen und mich ein Stück weit auch verbiegen. Ich kann es machen und nachdem jetzt für mich klar geworden ist, was von mir erwartet wird, fliessen die Ideen auch fast von selbst. Aber es verkommt zu einem mechanischen Akt, zu einer seelenlosen Fingerübung. Nein, ich bin definitiv kein Andy Warhol, der sich den Wünschen des Auftraggebers perfekt anpassen konnte und dem es sowieso lieber war, wenn man seine Meinung und seine Persönlichkeit nicht sah. Ich will Stellung beziehen, etwas ausdrücken und auch die Themen behandeln, die mir persönlich wichtig sind. Und ich will definitiv nicht der "Auftragsbimbo" sein. Man spricht hier gerne auch von Prostitution - man verkauft in diesem Fall nicht den Körper, sondern die Seele beziehungsweise die eigene Kreativität gegen Geld.
Was bedeutet das für meine Studienwahl? Bin ich hier falsch? Definitiv nicht. Ich lerne unglaublich viele wertvolle Dinge. Und ob ich schlussendlich vom Programmieren, Kellnern oder Illustrieren leben werde, wird sich noch zeigen. Mir war von Anfang an klar, dass ich wesentlich lieber als freie Künstlerin leben möchte als als Auftragsillustratorin. Vielleicht ändere ich meine Meinung in den nächsten Jahren, vielleicht finde ich einen Weg, Aufträge zu erledigen, ohne das Gefühl zu haben, dass ich mich selbst verrate.
Im Moment frage ich mich allerdings schon: Wenn nächsten Freitag der Creative Director des NZZ Folio sich unsere Illustrationen anschaut - wäre ich glücklich, selbst wenn er meine Bilder in den Himmel loben würde, wenn sie mir aber emotional nichts bedeuten? Der Dozent hat mich beschrieben wie die E-Gitarre im Kammerorchester. Hierauf musste ich ehrlich erwidern: ich bin auch lieber eine E-Gitarre als eine Geige.

Beim Aufnahmegespräch wurde ich gefragt, ob ich gerne Zeitungsillustrationen machen würde. Ich wusste damals nicht so richtig, was ich antworten sollte. Völlig uninteressant klang das damals nicht für mich. Wirklich beantworten kann man das jedoch erst, wenn man es einmal probiert hat. Wir hatten schon Aufgaben wie bei der Druckwerkstatt, die mehr in Richtung Kunst und Selbsterfahrung tendierten. Jetzt haben wir einen Auftrag als Auftrags-Illustratorinnen. Uns stehen auch noch Dinge wie Storyboard bevor, die schon fast in Richtung Comic oder Animationsfilm tendieren. Am Ende der drei Jahre werden wir (hoffentlich) die Frage beantworten können: Was für ein Tierchen bin ich überhaupt und wohin gehe ich von hier aus?