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09 04 | '14

Mit Feedback umgehen

"Ja was denn nun? Gestern fand er mein Bild noch super, heute hat es ihm zu viele Leute drauf!" Solche Aussagen habe ich jetzt schon ein paarmal gehört. Daraus spricht für mich, dass sich diejenige Person sehr stark darauf ausrichtet, was die Dozierenden sagen. Aber wenn man sich blind nach dem ausrichtet, von dem man denkt, dass es erwartet wird, läuft man irgendwann mit Sicherheit gegen eine Wand. Erstens sind die Dozierenden keine Gottheiten - auch sie machen Fehler. Und zweitens hilft es aus meiner Sicht nicht, wie ein Kind den scheinbaren "Regeln" zu gehorchen, die da scheinbar ausgesprochen werden. 

Schlussendlich geht es doch darum, dass wir selbst die Entscheidungen treffen können. Und es gibt keine Patentlösungen. Für mich in meiner Situation mit dem Bild X gibt es eine Auswahl von Lösungen - manche passen zu meiner Persönlichkeit und zu dem, was ich mit dem Bild ausdrücken will, manche nicht. Wenn ein Dozent, eine Dozentin etwas vorschlägt, ist es das, was er oder sie in jener Situation tun würde oder er oder sie sich für uns als passend vorstellt. Das kann passen, muss aber nicht.

Es ist wohl wieder einmal der goldene Mittelweg, der zum Ziel führt. Ich versuche, möglichst viele Ratschläge und Techniken auszuprobieren, die ich vorgeschlagen bekomme. Wenn es sich gut anfühlt, mache ich dort weiter. Wenn sich in mir jedoch alles sträubt, wenn es mein Projekt verfälscht, wenn mir der Stil der Zeichnung nicht mehr gefällt, dann muss ich einen anderen Weg suchen. Motivation ist ein zentraler Bestandteil dessen, was wir tun - meinen Zeichnungen sieht man normalerweise sofort an, ob ich motiviert war oder nicht. Wenn man keine Lust mehr hat, läuft irgendetwas in die falsche Richtung. Vielleicht tritt man ewig auf der Stelle, weil man auf Sicherheit spielt, statt neue Experimente zu wagen. Vielleicht will man den Dozierenden gefallen, besser als die Mitstudierenden sein, will "cool" sein - was meistens zu faden Ergebnissen führt. Vielleicht ist man zu perfektionistisch, statt das Unperfekte schätzen zu können.

Feedback führt dazu, dass die ganze Welt noch einmal Kopf steht. Man dachte, man weiss, woran man ist - und plötzlich gibt es da Kritik. Die muss verdaut werden. Ich glaube, in unserer Klasse gibt es niemanden, der immun gegen Kritik wäre. Und das ist auch gut so. Es ist eine riesige Chance, die eigenen Bilder durch die Augen von jemand anderem zu sehen. 

Bei mir führt Kritik meistens dazu, dass ich erstmal eine halbe oder ganze Stunde einen Durchhänger habe. Ich fühle mich orientierungslos, probiere etwas halbherzig, das nicht richtig klappen will. Am schlimmsten ist die Aussage "du könntest noch freier gestalten, mehr ausprobieren" - dann muss ich mich auf den Hosenboden setzen und herausfinden, was "freier" für mich bedeutet. Manchmal lege ich eine Inspirationspause in der Bibliothek ein - besonders dann, wenn mich die Kritik lähmt. Aber schlussendlich kommt die Lösung eigentlich immer beim Machen. Ich versuche, die zuvor gehörte Kritik im Hinterkopf zu behalten. Eine hängende Schallplatte im Kopf, die tönt: "Ich muss freier arbeiten, ich muss freier arbeiten" ist nicht unbedingt hilfreich. Besser ist der Schalk, der Humor, die Wut - "okay, dann bin ich eben frei - ich leere jetzt einfach das Tintenfass über das Blatt" oder "okay, ich zeichne jetzt eine richtige Sudelzeichnung - vielleicht ist der [böse Bezeichnung der Dozierenden] das dann frei genug!". Genau daraus entstehen dann super Sachen.

Für die neuen Erstsemester kann ich schonmal sagen: Es wird besser. Das erste Semester ist das übelste. Man ist blockiert und unsicher wie ein neugeborenes Kätzchen. Das zweite ist schon ein wenig flüssiger - man hat das erste Semester überlebt, viele Projekte sind nach einem Fiasko doch noch gelungen und gewisse Zeichnungen waren so schlecht, dass man eigentlich gar nicht mehr tiefer sinken kann. Gerade das letzte Argument habe ich auch immer genutzt, um Experimente zu wagen. "Ich kann eh nicht gut zeichnen - ich habe keinen guten Ruf zu verlieren, also kann ich genauso gut einfach irgendwelchen Sch... zusammenmantschen und schauen, was passiert." Ach ja - und mit der Zeit lernt man auch, dass Kritik nicht heisst "du bist eine unfähige Illustratorin", sondern eben tatsächlich nur "die rote Farbe da passt überhaupt nicht zur Zeichnung".

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