Unter Schmerzen gebären oder einfach gebären lassen
Auch wenn es hier auf dem Blog still geworden ist: ich habe mit der gestalterischen Tätigkeit nicht aufgehört. Im Moment ist es mir wichtig, meine Bilder nur einem kleinen Personenkreis zugänglich zu machen. So können ruhigere, persönlichere Arbeiten entstehen, die im grellen Scheinwerferlicht des Studiums in den Schatten geflohen waren. Man hat mir schon vorgeschlagen, ich könne meine Bilder doch besser promoten. Zunächst war ich versucht, denn wer geniesst nicht die Aufmerksamkeit? Doch dann merkte ich, dass ich im Moment nur von wenigen beobachtet werden möchte, damit ich in Ruhe erspüren, zweifeln, verwerfen, neuschaffen kann. Es ist ein intimer Raum, in dem man sich selbst nahe kommt, sich im Spiegel der Bilder auf neue Weise erblicken kann.
Während dem Studium sind einige Arbeiten entstanden, die mir sehr gefallen. Aber damals kamen sie mit mühevollen Presswehen zur Welt, ich verpulverte viel zu viel Energie damit, etwas erzwingen zu wollen. Die jetzigen Arbeiten sind ruhiger, sie entstehen im Alltag, einfach so nebenbei zwischen dem Schälen einer Salatgurke und dem Abwasch. Sie werden langsam so natürlich wie das Atmen und mit jedem Bild wächst mein Vertrauen, dass es am nächsten Tag wieder eines geben wird. Zu viel emotionale Erregung und Erwartungshaltung kann den Prozess stören. Und was ich gerne vermeide ist, zuerst eine Idee zu haben und diese dann umzusetzen. Zu wissen, wohin die Reise geht. Statt dessen nehme ich die Kamera in die Hände und lasse meinen Geist durch die Welt schweifen, bis irgendetwas meine Aufmerksamkeit fesselt. Wenn ich den Prozess kontrolliere, entsteht ein schlechtes Bild. Wenn ich loslasse und dem Prozess vertraue, dann entsteht neue Erkenntnis, eine Wahrheit, die in dem Motiv steckt und die ich erst hinterher erkenne, nachdem das Bild bereits auf den Mikrochip gebannt worden ist. Es ist ein tägliches Entdecken dieses Wunders. Des Wunders, dass sich ein Bild, ein Wort zu einer perfekten Einheit zusammenfügen, ohne dass ich viel dazu getan hätte. Es ist der unbewusste Teil des Gehirns, der hier tätig wird und der viel mehr Details von dieser Welt aufnimmt, als das Bewusstsein verarbeiten kann.
Im Moment mache ich jeden Tag ein Bild, egal, wie müde oder unlustig ich bin. Mal ist es auch ein Film. Mal ist es aufwendig und geht über ein paar Tage, mal ist es sehr kurz und einfach. Diese kurzen Produktionszyklen sorgen dafür, dass ich viele Dinge ausprobieren kann, statt über längere Zeit in einem Projekt gefangen zu sein, das dann uferlos und irgendwann abgebrochen wird. Das heisst aber nicht, dass die Bilder nicht zusammenhängen. Motive tauchen immer wieder auf, verändern sich, erhalten neue Bedeutungen oder kombinieren sich miteinander. Es ist wie ein endloser Stream of conciousness in Bildern, eine Melodie mit Wiederholungen und Varianten.
Gerade weil dieser Prozess so leise passiert, weil er keine grossen Wellen schlägt, fühlt sich das Kunstschaffen so entspannt an, liefert sogar eher Energie, als dass es welche benötigt. Ganz anders im Studium noch, als ich Hitzkopf unbedingt eine geniale Arbeit herauspressen wollte und dabei sehr oft über meine Grenzen ging, zu wenig ass, zu wenig Pausen machte, zu wenig schlief. Und für den Moment fühlt es sich auch richtig an, dass der Brot-Beruf nicht allzuviel mit der Kunst zu tun hat, dass die Bilder sich im Verborgenen entwickeln können, welche für mich eine tiefe emotionale Bedeutung tragen, statt einfach nur ein "cooles Bild" zu sein. Und welche mich selbst transformieren, indem ich neues über diese Welt herausfinden und erforschen kann.
Das nur meine Erfahrung der letzten Monate.