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08 05 | '16

Unterwegs in einer Seifenblase 17

Als mir der Stress wegen der Bachelor-Arbeit zu viel wurde, ging ich raus in den Wald. Mit aufgesetzten Kopfhörern spazierte ich in einen Seitenweg, genoss die Atmosphäre, das Licht, das Grün. Schliesslich setzte ich mich auf eine Bank. Ich hatte gerade mal einen Absatz geschrieben, da kam ein Hund wild bellend auf mich zu.

"Tja, das ist halt, wenn man nix hört", meinte das dazugehörige Herrchen, ein älterer Herr.

Er blieb stehen und ich fragte nach seinem Hund. Eigentlich könnte es einen langweilen, ein Herrchen von seinem Hund schwärmen zu hören. Aber als er erzählte, dass er etwa drei Stunden täglich mit dem Hund raus geht, spielt, herumtobt, war ich fasziniert. Nicht nur die Beziehung zu seinem Hund, aber auch diese einfache Freude an so etwas simplen wie zu beobachten, wie aufmerksam der Hund herumschnüffelt, wie er die Ohren spitzt und in alle Richtungen lauscht.

Er wünschte mir noch viel Spass beim "Schriftstellern". Ich meinte, ich schriebe mehr, um nachzudenken - es helfe mir beim Denken. Da sagte er: "Ich steck den Bleihammer nicht in die Tasche, bevor ich ihn werfe - hinterlässt den stärkeren Eindruck." Zunächst liess mich das etwas ratlos zurück. Aber mit der Zeit verstand ich - sich nicht zuerst ausbremsen, bevor man handelt, sondern direkt handeln. Ich stürmte nach Hause, um mich endlich wieder der Bachelor-Arbeit zu stellen. Auf seltsame Weise hatte ich im Wald genau gefunden, was ich gesucht hatte. Ich glaube nicht an Gott oder an das Schicksal. Aber ich glaub, dass man, wenn man weiss, was man sucht und die Augen offen hält, sehr oft genau das findet, was man braucht. So wie die Natur, die sich selbst immer wieder ausbalanciert.

Mir ging dann plötzlich ein Licht auf, als ich vor der Kulisse stand. Ich war festgefahren gewesen. Ich hatte Dinge bereits als gegeben angenommen, obwohl die überhaupt nicht gegeben waren. Hatte aufgehört, auszuprobieren. Und da fiel ein Steinchen aufs andere und heute morgen hab ich die Geschichte, die ich verfilmen will, Stück für Stück zusammengesetzt. Ich weiss nicht, ob sie so perfekt ist, wie sie sein könnte. Aber zumindest aus meiner Sicht ist die Symbolik viel präziser als zuvor, die Handlung klarer, die Motivation der Figuren deutlicher und der Schluss (sofern ich den technisch so hinkriege) überraschender.

Nach zwei Stunden intensiven Hirnens fand ich dann, dass es langsam Zeit wird, eine Pause einzulegen. Also hab ich mir bewusst Zeit genommen, mich in dieses herrliche Café an der Aare gesetzt und die Sonne genossen.

Meine "Schauspielerin" hat nur am Pfingstwochenende Zeit. Dann werden drei Tage gedreht. Danach kann ich nur noch in sehr begrenztem Masse Szenen nachdrehen oder ändern. Das heisst, bis dahin muss zumindest 90% klar sein. Das fühlte sich vor ein paar Tagen gar nicht gut an. Ich wollte doch noch länger am Konzept feilen, es perfekt machen, es... und jetzt hab ich gemerkt, dass diese Deadline genau das Richtige ist. Man schiebt die Entscheidungen nur ewig vor sich her und hinten bleibt weniger Zeit für Schnitt, Ton und so weiter. Und siehe da, plötzlich fliesst es. Weil es fliessen muss. Weil ich keine Lust habe, mir eine neue Schauspielerin zu suchen, weil ich jemanden brauche, bei dem ich ein gutes Gefühl habe, um nicht völlig verkrampft zu schauspielern und damit den Film zu ruinieren. Kreativ zu sein ist für mich ein sehr intimer Akt und ich lasse mir nicht gern dabei zuschauen.

Die schwierigsten Entscheidungen sind jetzt getroffen. Es gibt noch sehr viel Arbeit nächste Woche, aber es geht definitiv langsam in Richtung Umsetzung. Auch wenn ich sehr genau darauf achten werde, nicht in "Produktions-Modus" zu verfallen, was da heissen würde: "Hirn ausschalten und Produktion abarbeiten." Es gibt immer noch viel Raum für Gestaltung, nur dass diesmal die Änderungen kleiner werden, die Wahl der Motive eingegrenzt ist, es wird alles subtiler und feiner. Und dann wird sich zeigen, ob ich nun endlich das gelernt habe, was letztes Jahr beim Projektmodul "Langsamkeit des Druckens" noch das Problem war: ob ich inzwischen gelernt habe, den Inhalt zum Schluss so zuzuspitzen, dass der Inhalt mehr oder weniger deutlich transportiert wird, statt die Betrachter ratlos mit einer vagen Ahnung zurückzulassen. We will see. Ich freue mich jedenfalls riesig auf die nächste Zeit, es wird noch einmal richtig spannend. Und für danach: Heute hatte ich schon eine Idee für einen nächsten Film - damit bin ich für die Zeit nach dem Studium gewappnet.