Visual Essay, die zweite
Nachdem ich gestern wegen dem Theorieunterricht die Session im Bundeshaus nicht besuchen konnte, war es heute endlich soweit. Ich stand vor dem Eingang und wartete, bis der Sicherheitsmann uns hinein winkte. Nochmals warten. Ich gebe die ID ab, dann werde ich zur Sicherheitskontrolle weitergeschickt. Dieses Prozedere kenne ich vom Flughafen schon - Taschen leeren, durch das Törchen spazieren und hinten alles wieder einpacken. Nur dass die Leute hier netter und geduldiger sind.
Drinnen heisst es, ich müsse einfach die Treppe hoch. Zum Glück ist alles gut beschildert, trotzdem bin ich einen Moment unsicher, als ich da in dem verwinkelten Treppenhaus stehe, das wirkt, als sei es kein offizieller Durchgangsweg, sondern eher der Notausgang, wenn ein Politiker vor der Presse fliehen wollen. Aber dann komme ich oben an, werde höflich weiter geleitet und stehe schliesslich auf der Zuschauertribüne des Nationalratssaals. Zum Glück sind nicht viele Leute da. Ich platziere mich in die vorderste Reihe und fange an, zu zeichnen.
Was mir anfangs auffällt, sind so kleine Geschichten. Die Dolmetscher sind hinter einer Scheibe auf der anderen Seite des Saals. Unten gibt es extra Ecken für die Presse - und zwar vorne. Erst mit der Zeit wird mir klar, dass sie die Presse vermutlich nicht hinter den ParlamentarierInnen sitzen haben wollen, weil man von der Zuschauertribüne einen wunderbaren Ausblick auf Blätter und Laptops hat. Auch mit blossem Auge erkenne ich, dass der eine oder andere auch mal Facebook aufgerufen hat. Aber auch andere sehen nicht aus, als ob sie wahnsinnig daran interessiert sind, was die Person da vorne am Rednerpult so erzählt - sie plaudern miteinander, lesen Zeitung und tippen auf ihren Laptops. Erst hinterher erfahre ich, dass die Arbeit eines Parlamentariers, einer Parlamentarierin (wir wollen ja politisch korrekt bleiben) sich viel stärker ausserhalb des Saals abspielt als drin. Und dass die eigentliche Meinungsbildung nicht im Saal stattfindet, sondern draussen. Und dass es Politiker gibt, die sich stärker mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen müssen, um wiedergewählt zu werden, während andere sich mehr auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können.
Mein eigentliches Thema, die komplizierte Sprache in der Politik, ist damit eigentlich eher vom Tisch. Ich hab den Diskussionen sehr gut folgen können und auch wenn es ein paar Substantivismus-Fetischisten gab, waren die meisten gut verständlich bis hin zu sehr schönen Analogien und Metaphern aus dem Alltag. Was mich umso mehr interessiert, ist dieser Meinungsbildungsprozess und wie man/frau schlussendlich bis zur Abstimmung verfährt. Während es sich die Leute am Stammtisch ja erlauben können, einfach mal aus dem Bauch heraus irgendeine Meinung von sich zu geben, muss eine Politikerin sich schon eher überlegen, wofür sie wie abstimmen will - und muss sich dabei alle Seiten anhören. Dann gibts noch die eigene Partei bzw. Fraktion, die ein Wörtchen mitzureden hat.
Soweit, so gut. Morgen startet Runde 2.
Ich entschuldige mich für die schlechte Qualität der Bilder, aber mangels eines Scanners muss die eher zweifelhafte Kamera meines Handys herhalten.