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10 10 | '16

Zahnfleischprobleme beim Dauergrinsen

Manchmal wünschte ich, ich könnte kein Englisch. Dann könnte ich nämlich entspannt die Pop-Melodien geniessen. Statt dessen jault der Typ "heirate mich – versprich mir, dass du an meiner Seite immer glücklich sein wirst". Das gibt dann aber maximal eine Fernbeziehung. Wenn ich ihn nur zweimal im Jahr sehe, dann kann ich es so halbwegs einrichten, dass ich dann jedes Mal glücklich bin. Dann kann ich mir notfalls ein paar happy Pillen einwerfen oder ihn mir positiv saufen, um das Versprechen einzuhalten. Eine rosa Brille kann auch nicht schaden – damit wird sogar der Hundehaufen am Strassenrand rosa. Dann hat er seine Ehefrau mit dem glücklichen Dauerlächeln im Gesicht. Die Gesichtsmuskulatur ist dann irgendwann so verspannt, dass sie sogar nachts im Schlaf noch weiter lächelt (aber Achtung – das könnte Probleme mit dem Zahnfleisch geben). Aber eigentlich könnte er sich ja auch gleich eine Puppe kaufen, die ist pflegeleichter. Die lächelt dann vielleicht nicht, aber... Egal.

Gut, zum Wesentlichen. Sokrates meinte ja mal: Ich weiss, dass ich nichts weiss. Soweit bin ich inzwischen auch. Ich dachte, nach fünfzehn Jahren Schreibpraxis hätte ich das langsam im Griff. Es hat noch niemand wirklich geschrieben, der nicht seinen eigenen Text zerschnippelt und in Fragmenten wieder zusammengesetzt hat. Das ist einfach unglaublich – es holt die innere Wahrheit des Textes an die Oberfläche und es entstehen Texte, die man bei vollem geistigen Bewusstsein so nie schreiben könnte.

Und ich dachte noch was. Ich dachte, nach drei Monaten wäre ich bei meinem Projekt schon ziemlich fortgeschritten. Um zu merken, dass ich erst jetzt mit der Basis-Arbeit richtig anfange. Gut, ich dachte mal, das wäre nur so ein kleiner Film. Dass daraus gleich auch noch eine Installation und noch mehr Filme entstehen, konnte ich ja nicht ahnen.

Die Nach-Bachelor-Schockstarre ("Hilfe, wer sagt mir denn jetzt, was richtig und was falsch ist?") hat sich dann gestern endlich gelöst. Der kleine Kobold in mir ist erwacht und quasselt nun beständig mit piepsiger Stimme neue Ideen in mein Ohr, so schnell, dass ich kaum mit skizzieren und schreiben nachkomme. Und dann zwingt er mich, in den Baumarkt zu gehen und Holz zu kaufen. Am Text wollte der Kobold nicht arbeiten, das fand er langweilig. Ich hab ihn dann vom Gegenteil überzeugt und jetzt sitzt er mit der Zunge im Mundwinkel da und schnibbelt Wörter auseinander.

Dafür ist der Blogeintrag hier grad etwas flach geworden. Egal. Ich setze jetzt mal wieder mein Dauergrinsen auf (scheiss auf das Zahnfleisch) und arbeite noch etwas an dem Text.