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06 05 | '16

Geniessen

Im ersten Schuljahr ist man sehr unsicher. Bin ich gut, bin ich schlecht? Wo muss ich mich in der Klasse einsortieren - bei den Strebern, den Losern oder dem langweiligen Durchschnitt? Mein eigenes Ego springt auf und ab - an einem Tag bin ich die unkreativste Person, die jemals gelebt hat, am nächsten bin ich so kreativ wie noch nie jemand auf dieser Welt. Ich habe mich etwas mit der Buddhistischen Lehre befasst und die finden: du hast kein "Ich", sondern was du gerade im Moment bist, ist eine Abfolge von Prozessen, die gerade in deinem Hirn stattfinden. Und die Prozesse wechseln von Minute zu Minute - also kann es auch kein "Ich" in dem Sinne geben. Und ich glaube, genau das ist es. Wenn ich kreativ bin, ist das kein Garant dafür, dass ich jetzt in eine erfolgreiche Karriere durchstarten werde. Wenn ich unkreativ bin, heisst das nicht, dass ich es nie schaffen werde. Und oft hab ich auch gemerkt, dass mir mein eigenes Ego im Weg steht. Sobald ich den Höhenflug bekomme, kommt dahinter die harte Bruchlandung. Weil der Fokus dann nicht mehr auf der Arbeit liegt, sondern darauf, wie gut ich bin und was die andern von mir denken. Und die Arbeit verschlechtert sich. Deshalb geniesse ich diese Höhenflüge, aber ich schau dann auch, dass ich wieder runter komme und sage: okay, gut jetzt. Du hast dich über deinen Fortschritt gefreut und jetzt nimmst du ein bisschen Draht in die Hände und machst ein Objekt draus. Das Gegenteil kann genauso hinderlich sein. Wenn ich gerade keine Ideen habe, es nicht spüre und dann wie ein Hornochse gegen die Wand renne, wieder und wieder. Dann ist es Zeit, auszusteigen, einen Spaziergang zu machen, mich daran zu erinnern, dass es noch viel mehr im Leben gibt als dieses Projekt, dass es eine Zeit danach gibt und dass es einfach schön ist, am Leben zu sein, die Luft zu atmen, die Natur zu geniessen. Gerade das Geniessen finde ich sehr wichtig. Im ASVZ gibt es im Yoga einen Lehrer, der sagt immer: "Geniessen, geniessen, geniessen." Und ich verstehe die Logik dahinter: Wer geniesst, konzentriert sich darauf, dass sich die Bewegungen gut anfühlen (auch Anstrengung kann sich gut anfühlen, wenn das Herz pumpt und die Muskeln arbeiten, geniessen heisst nicht, sich nicht anzustrengen). Wer zu viel Ehrgeiz hat, wird sich vermutlich schneller eine Zerrung oder einen Bandscheibenschaden einfangen.

Ich denke, es ist die Balance, die es ausmacht. Die richtige Balance zu finden, das ist ein Akt, der mich wohl für den Rest meines Lebens beschäftigen wird. Aber ich bin schon viel besser darin als im ersten Jahr und ich freue mich auf den Genuss, der mir in der Zukunft bevorsteht.