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16 07 | '16

Im Dunkeln

"Zeig dich! Komm heraus aus dem Schatten, lass mich dir ins Gesicht sehen!", rufe ich.

Doch vor meinen Augen nur Schwärze. Ein paar dunkelgraue Konturen auf schwarzem Untergrund, das ist alles, was ich ausmachen kann. Jedes Mal, wenn ich versuche, es zu ergreifen, schlüpft es durch meine Finger wie eine dieser giftgrünen Glibbermassen, mit denen kleine Kinder gerne spielen. Ich bin versucht, ein Fangnetz aufzubauen, eine Mäusefalle, irgendetwas, nur um es VERDAMMT NOCH MAL ZU KONTROLLIEREN. Aber es lässt sich nicht kontrollieren. Es ist noch sehr jung, fast noch ein Fötus, nein, eigentlich noch ein Zellhaufen. Wird daraus ein Pferd, ein Mensch, eine noch nicht bekannte Spezies? Ich will nicht seine Gene modifizieren, ich will es organisch wachsen lassen, sehen, was daraus wird. Wenn ich es in seinem natürlichen Verlauf störe, werde ich nie herausfinden, was daraus hätte werden können. Trotzdem ist es schwer. Verdammt schwer, es einfach geschehen zu lassen. Es wird eine Zeit geben, da wird es meiner Führung bedürfen, da werde ich es kräftig in seine Schranken weisen müssen - aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Fasse ich es jetzt zu grob an, kann es sein, dass ich es vernichte.

Also sitze ich schweigend da und blicke auf den wachsenden Zellhaufen, der sich mit quälender Langsamkeit teilt. Ein Projekt. Es ist kein Einzeller mehr. Aber es hat auch noch keine scharfen Konturen. Das treibt mich in den Wahnsinn...