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29 07 | '14

Künstler I: Klaus Lutz

Er irritiert mich. Ich stehe in einem abgedunkelten Raum im Aargauer Kunsthaus, hinter mir läuft ratternd der Projektor, vor mir sehe ich ein weisses Männchen rennen, obwohl es keinen Schritt vorwärts kommt. Unter ihm dreht sich die Erde. Ist er im Weltall? Ich weiss nicht, ob ich den Film toll oder scheisse finden soll. Irgendetwas klingt in mir an - Themen von endlosem Wirtschaftswachstum, Produktionszwang, immer mehr Stress bei der Arbeit kommen mir in den Sinn. Rennen und doch nicht vom Fleck kommen. Hat der Künstler das gemeint? "Caveman Lecture" heisst der Film - Höhlenmensch-Lektion. Ist es das, was er meint? Dass wir uns auf den Höhlenmenschen zurückbesinnen sollen?
Vielleicht ist es genau das, was mich an Klaus Lutz stört - man bekommt ihn nie wirklich zu fassen. Was für ein Mensch war das? Wie dachte er, wie tickte er? Und was genau meint er mit seinen Bildern und Filmen?
"Fragte man Lutz, worum es in seinem Werk gehe, antwortete er, dass er sich mit Grammatik beschäftige." So wird er im Buch "Im Universum Klaus Lutz" zitiert. Laut dem Buch gehe es ihm darum, eine neue Ausdrucksweise jenseits von Alphabeten zu finden.
Das Alphabet, die Wörter, die Sprache sind Formen, auf die wir uns geeinigt haben, um uns einfacher verständigen zu können. Wer eine neue Form sucht, wird fast zwangsläufig Probleme damit bekommen, sich verständlich zu äussern. Ungefähr so, als würde er einen Vortrag auf chinesisch halten, während im Publikum niemand diese Sprache versteht. So ahne ich beim Betrachten seines Werks sehr viel, ahne aber gleichzeitig auch, dass ich mit meiner Interpretation völlig daneben liegen könnte. Das gilt auch für seine Leporellos, bedruckt mit wunderschönen Kaltnadelardierungen.
Gleichzeitig kann ich mich der Faszination nicht entziehen. Es ist etwas, das ich so noch nie gesehen habe. Es tut so, als würde es etwas darstellen - ich suche nach Figuren, nach Maschinen und bin mir nicht sicher, ob sich der Künstler mit mir nicht einen Scherz erlaubt. Vielleicht suche ich krampfhaft nach einer tieferen Bedeutung, die gar nicht da ist? Es ist kühl und technisch, um dann doch wieder lebendig zu wirken. Sanfte weiche Flächen neben harten Linien. Zum Schluss bin ich mir nicht sicher, ob ich die Mühe auf mich nehmen soll, in den Kopf des Künstlers zu dringen - oder ob ich mich mit der wunderschönen, einzigartigen Ästhetik begnügen möchte.
Schliesslich lese ich, dass er sich bei seinen Zeichnungen und Filmen oft auf Texte von Robert Walser stützte. Liest man dessen Texte, gelangt man langsam an den Punkt, wo sich Teile seines Werks entschlüsseln lassen.
Was ich über die Klaus Lutz noch herausfinden kann, ist, dass er ein Tüftler gewesen sein muss. So hat er einen Film auf einen sich drehenden Ballon projiziert und das wieder abgefilmt. In der Ausstellung im Aargauer Kunsthaus lese ich etwas von Dingen, die er mittels Drähten bewegt hat. Seine Zeichnungen kommen ebenfalls im Film vor und er bewegt sich als winzige Figur um diese Zeichnungen herum. Und besonders sympathisch ist mir an ihm, dass er sich der digitalen Revolution widersetzt hat.
Die weisse Figur schaukelt an einer dicken Linie der Zeichnung hin und her. Sie hantiert immer wieder mit diesem Trichter, der ihr eine Art Zugang zu einer anderen Welt zu ermöglichen scheint. Irgendwann merke ich, dass mir langsam die Beine wehtun und ich den Film inzwischen schon dreimal gesehen habe. Ich kann nicht weggehen, muss weiter gucken. Irgendwie kann ich mich trotz allem nicht von diesem seltsamen, faszinierenden Menschen lösen, der seine Küche als Studio benutzt hat und der so eine ganz eigene, verrückte Welt erschaffen hat.
 
Ich habe hier noch ein paar Quellen zusammengetragen für diejenigen, die mehr von ihm sehen möchten.
 

Klaus Lutz: Im Universum

Homepage über Klaus Lutz

www.das-ende-der-welt.ch (Ein Bilderbuch zum Online-Anschauen)

NZZ Artikel über Klaus Lutz (2003)