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07 05 | '16

Unterwegs in einer Seifenblase 15

Gestern war ich völlig blockiert. Und dann hab ich angefangen, mich mit der Möglichkeit des Scheiterns auseinanderzusetzen. Ich glaub, viele wollen sich gar nicht vorstellen, dass sie scheitern könnten. Gestern habe ich mir einmal bewusst die Situation durchgespielt - beim Filmen geht alles schief, beim Schneiden kann ich die Stücke nicht richtig zusammensetzen, die Geschichte funktioniert nicht, an der Präsentation versuche ich, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, aber es klappt nicht - schliesslich die Note "nicht bestanden", ich muss die Ausstellungsbox in der Werkschau wieder abbauen. So verrückt es klingt, das hat geholfen. Es hat sich ziemlich mies angefühlt, aber ich hab auch gemerkt: die Welt geht davon nicht unter. Das wäre in dem Sinne nichts, was ich während des Studiums nicht auch schon erlebt hätte, insbesondere beim Storyboard-Modul, das ich beim ersten Anlauf nicht bestanden habe. Na und? Inzwischen weiss ich, dass das klassische Storyboard-Zeichnen meinem Denken widerspricht und dass ich vielleicht ein ganz passables Storyboard würde zeichnen können, wenn ich meinen eigenen Prozess dafür herausfinden könnte. 

Beim Aufnahmegespräch wurde ich gefragt: "Wenn wir Sie nicht aufnehmen, was machen Sie dann?" Und ich hab geantwortet: "Ich würds jedes Jahr so lange probieren, bis Sie mich aufnehmen." Genau dasselbe gilt doch auch für die Arbeit. Einfach so lange weiter machen, so oft auf die Nase fallen, bis es irgendwann klappt. Diejenigen, die in etwas wirklich gut sind - ich denke, die sind nicht mit extra viel Talent ausgezeichnet oder hatten halt einen silbernen Löffel bei der Geburt, sondern die sind immer wieder aufgestanden und haben weiter gemacht. So lange, bis es klappt.

Soweit ich weiss, lernt man beim Kampfsport erstmal das richtige Fallen und wie man sich abrollt. Wenn man den Sturz nicht auffangen kann, wenn man diese Fähigkeit nicht erworben hat, dann müsste man während eines Kampfes ja nahezu perfekt sein und dürfte nie stürzen. Denn sobald man stürzt, ist der Kampf verloren. Das Scheitern gehört unweigerlich zum Lernen dazu. So wie kleine Kinder erst dann begreifen, dass sie die Tischkante vermeiden müssen, nachdem sie sich ein paarmal kräftig daran den Kopf gestossen haben. So funktioniert Lernen. Die Eltern können noch tausend Mal sagen: "Pass auf, die Tischkante." Nichts ist so lehrreich wie ein brummender Schädel (wobei ich jetzt nicht dafür plädiere, untätig daneben zu sitzen, während das Kind Gefahr läuft, sich weh zu tun, es geht hier um den übertragenen Sinn). Eine Dozentin hat mir mal gesagt: "Eigentlich können wir euch gar nicht unterrichten. Wir können euch nur dabei unterstützen, es selbst zu lernen." Das stimmt, denn schlussendlich muss man die Erfahrung selbst machen, sie verinnerlichen. Kleine Kinder lernen auch nicht laufen, indem sie ein Buch darüber lesen, sondern, indem sie mal versuchen, aufzustehen - ah, wenn ich die Beine so und so halte, klappt das. Wie muss ich das Gewicht verlagern, damit ich nicht hinfalle? Autsch, so jedenfalls nicht. Okay, nochmals, Gewicht verlagern. Schon wieder hingefallen, aber diesmal hats beinahe geklappt. Nochmal. Würden alle Kinder beim Laufen-Lernen so schnell aufgeben wie wir bei der Gestaltung, würde die Menschheit bald nur noch aus kriechenden Leuten bestehen.

Ein Grafik-Dozent hat mir übrigens mal erzählt, er habe einem Studenten gesagt: "Du bist halt kein Grafiker." Der war dann offenbar recht geknickt. "Zum Glück hat er nicht auf mich gehört und weiter gemacht. Inzwischen ist er ein ausgezeichneter Grafiker", meinte der Dozent. So kanns gehen. Und das kann man im Voraus nicht wissen, erst in der Retrospektive denkt man, dass es gut war, dass er weiter gemacht hat.