Back to top
22 05 | '16

Unterwegs in einer Seifenblase 35

Gestern Abend ging ein langer Drehtag zu Ende. Ich hatte fünfeinhalb Stunden unruhig geschlafen, war am Morgen nervös und rastlos gewesen. Andererseits war da auch ein gewisser Fatalismus - wie es jetzt entwickelt ist, so wird es gefilmt. Jetzt kannst du eh nichts mehr ändern. Meine Todo-Liste beinhaltete noch ein duzend "Nice to have"-Punkte. Diese wurden komplett gestrichen. Die beiden Schauspieler kamen um zehn. Zuerst war noch Kostümprobe und dann gings los. Licht an, Kamera an, erste Szene - und mir fiel buchstäblich die Kinnlade runter...

Der Tag war einfach der Hammer! In jeglicher Hinsicht. Das Team war super, die Stimmung war super, die schauspielerische Leistung der beiden hat mich schlicht umgehauen. Es gab Momente, da konnte ich nur fasziniert auf den Kamera-Bildschirm starren und hab fast vergessen, irgendwann mal wieder Stopp zu sagen und die Aufnahme anzuhalten. Ich hätte ewig zusehen können. Die beiden haben ihre ganz eigenen Welten und Persönlichkeiten mitgebracht und das hat dem Film extrem gut getan. Und plötzlich siehst du, wie das Konzept, an dem du monatelang gearbeitet hast, anfängt, lebendig zu werden. Es ist eine unglaublich tolle Erfahrung. Die beiden Schauspieler sind die Experten darin, Inhalte und Gefühle in Gestik und Mimik umzusetzen. Und sie haben das auf eine Art getan, die ich so nie hätte vorausplanen können.

Die beiden haben geschwitzt, geblutet und werden heute vermutlich ziemliche Rückenschmerzen haben. Es war ziemlich warm in meiner kleinen Wohnung mit geschlossenen Läden und dem Scheinwerferlicht. Bequem war dieser Dreh definitiv nicht. Am Abend waren sie sichtlich müde. Aber sie haben das Ding voller Elan durchgezogen bis zum Schluss. Zwei Leute haben sich auf mein Online-Inserat hin gemeldet - und es waren genau die richtigen beiden.

Nicht zu vergessen meine "Assistentin", die super gekocht und sich um das Wohlergehen der Schauspieler gekümmert hat. Sie war die Seele der Wohnung.

Jetzt finde ich es schade, dass es schon vorbei ist. Da schwitzt und zittert man monatelang, ob aus der Abschlussarbeit etwas wird - und dann sieht man die ersten Aufnahmen durch und plötzlich fällt der ganze Stress von einem ab. Natürlich sieht man die Fehler in der Kameraführung, was bei meiner mangelnden Erfahrung kein Wunder ist, aber vor allem sehe ich Aufnahmen, die meine eigenen Erwartungen übertroffen haben. Es war eine Reise voller Überraschungen, Magie und kleiner Wunder am Wegesrand - und auf der letzten Strecke dieser Reise mit den Schauspielern war es kein Bruch, es war keine starre Umsetzung dessen, was vorgeschrieben war, sondern es blieb eine faszinierende Entdeckungsreise bis zum Schluss. Wenn dieser Geist beim Vertonen und beim Schnitt noch erhalten bleibt, die Reise noch ein klein bisschen weiter gehen darf, dann bin ich restlos glücklich. Dann ist es egal, ob ich den Abschluss bestehe, wie der Film ankommt - dann war es einfach eine verdammt phantastische Erfahrung. Eine, die mir bei meinem nächsten Film hilfreich sein wird. Denn das war unter Garantie nicht mein letzter Film. Ich freue mich schon riesig darauf, nach dem Studium in die Filmwelt einzutauchen, mich mit Theorien auseinanderzusetzen, mit Filmtechnik, Schnitttechnik, Beleuchtung. Alles zu lernen, was es zu lernen gibt. Damit der nächste Film eine noch spannendere Reise wird.

 

Was ich mich noch frage: was zur Hölle schreibe ich als Berufsbezeichnung auf die Rückseite meiner Postkarte, die an der Ausstellung ausgelegt wird...?