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03 08 | '15

Babyschritte

Eine Dozentin hat mir klar gemacht, dass ich das Zuspitzen und Überarbeiten in den Griff kriegen muss. Also bin ich seit einigen Wochen immer wieder ein paar Stunden zwischendurch am Überarbeiten meines Projektmoduls.

Auf gut Deutsch heisst das: ich lege los und hab keinen blassen Schimmer, wo ich anfangen soll. Mein Konzept hat sich verpulverisiert, ich hab ein Chaos. Gleichzeitig weiss ich: wenn ich jetzt versuche, mit aller Kraft wieder zu bestimmen, wo's langgehen soll, endet es in einem verknorksten Kontrollfreaklayout mit zwangsneurotischen Zügen. Das funktioniert also nicht. Aber was tun? Schlussendlich nehme ich ein Bild, einen Text und versuche mal, ein bisschen damit herumzuspielen. Mein Gehirn muss sich ja beim Schreiben und beim Drucken etwas überlegt haben, ich hoffe, dass ich das wieder zusammenkratzen kann.

Als ich merke, dass der Text sich sehr oft wie ein Bild verhält, werde ich euphorisch. Aber bald versinke ich wieder im Chaos. Nach jeder Arbeitseinheit sagt mein Kopf: "Das wird nichts, ich hab keine Lust mehr! Vergiss es doch einfach und mach ein neues cooles Projekt!" Ich entgegne meinem Kopf: "Du machst seit Jahren nur neue coole Projekte - nur abschliessen tust du sie nie!"

Ich spiele herum, drucke das Ergebnis aus, klebe die Seiten zusammen. Immer und immer wieder. Aber mein Stapel mit den ausgewählten "guten" Entwürfen wird nie mehr - die Seiten werden nur durch andere Variationen ersetzt, ein paar Bilder muss ich sogar wieder rausschmeissen, weil sie einfach nicht dazu passen wollen. "Wenn das so weitergeht, dann hab ich am Schluss ein Heft mit fünf Seiten", denke ich grummelig.

Heute habe ich mich zum ersten Mal auf das wacklige Sofa im Grafiker-Atelier hingesetzt und in aller Ruhe meine ausgedruckten Seiten durchgeblättert. Aber wirklich mit viel Ruhe. Ich habe mir Zeit genommen, jede Seite ein paar Minuten anzuschauen. Und plötzlich habe ich angefangen, Dinge zu sehen. Nein, keine Wahnvorstellungen. Ich merkte, dass hier die Schrift kleiner sein muss, dass dort ein Wort schräg stehen muss, dass der Text an der einen Stelle ein visuelles Echo der Bilderformation ist, während ein anderer Versuch dieses Echo nicht erzeugt. Es ist wie bei der Meditation: je mehr frau sich darauf konzentriert, etwas wahrzunehmen, desto feiner wird die Wahrnehmung. Desto spannender wird es auch, etwas zu betrachten.