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10 04 | '15

Phase 2: Recherche

Die Recherche ist einerseits eine spannende Phase voller zündender Ideen und Möglichkeiten. Andererseits besteht die Gefahr, sich zu verlieren in der Flut der Informationen. Zum Thema Wahn/Schizophrenie/Verschwörungstheorien gibt es unzählig viele Quellen. Würde ich mich da in alles einlesen wollen, würde ich das Projekt wohl Ende 2020 beenden.

 

Da ist nun also die Idee mit den Verschwörungstheorien und da gibt es eine vage Vorstellung davon, wie das am Schluss aussehen könnte. Wenn ich das Projekt so aufziehe, wird es aber bloss eine lose Sammlung von willkürlich zusammengewürfelten Verschwörungstheorien. Es braucht also ein Gravitationszentrum, das alles im Innern zusammenhält. Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien beziehen sich häufig auf das eigene Unbewusste, auf die eigene Psyche. Also brauche ich eine Hauptfigur, welche sich diese Theorien ausdenkt und sie verkörpert. Da ich nicht unter Wahnvorstellungen leide und diese auch nicht mittels psychoaktiver Substanzen hervorrufen möchte, kann ich nicht mich selbst als Hauptfigur nehmen. Zumal ich in den Besprechungen mit den Dozierenden nicht unbedingt mit den unbewussten Anteilen meiner eigenen Psyche argumentieren möchte.

Meine Hauptfigur braucht einen groben Steckbrief. Ich recherchiere mal zu den Themen "Wahn" und "Schizophrenie". Die verschiedenen Formen von Wahn interessieren mich, da kann ich ansetzen (http://de.wikipedia.org/wiki/Wahn). Zum Beispiel der Schädigungswahn: "Der Betroffene hat die wahnhafte Vorstellung, durch sein Dasein oder Handeln andere ungewollt zu schädigen, und ist überzeugt, dass alles, womit er in Berührung kommt, Unheil bringt und er selbst Ursache von Unheil ist." (Zitat Wikipedia) Ein solcher Mensch könnte die Zeitung aufschlagen und sich für alles verantwortlich fühlen, was da passiert. AKW explodiert? Ganz klar, er ist schuld. Oder der Versündigungswahn - hier käme das Thema Religion mit hinein.

Wie filtere ich die Informationen? Zwei Hauptpunkte: zum einen muss ich ein bisschen im Hinterkopf behalten, was machbar ist. Fast wichtiger ist aber noch mein Interesse. Wo spüre ich, dass meine Neugier angesprochen wird, wo kommen erste Vorstellungen, wie sich etwas zeigen könnte? Im Studium wird uns beigebracht, bei der Recherche bereits zu skizzieren. Das ist sehr wichtig, weil man auf gewisse Ideen (insbesondere Bildideen) erst dann kommt, wenn man sie vor sich sieht und z.B. kombiniert. Andererseits finde ich es nicht richtig, sich quasi zu verbieten, auch einiges niederzuschreiben. Insbesondere bei abstrakteren Themen hilft es mir, ein paar Stichworte niederzuschreiben und erst dann mit dem Skizzieren zu beginnen.

Der Verfolgungswahn interessiert mich. Robert, so heisst er ab jetzt, fühlt sich also verfolgt. Alle wollen ihn schädigen, ihm Böses antun, er kann sich nirgendwo sicher fühlen. Eine Spur Versündigungswahn könnte auch mit drin sein, um meinem eher kritischen Interesse an der Religion Genüge zu tun. Das wird sich aber im weiteren Prozess noch zeigen, ob das passt.

Robert führt also ein Tagebuch. So ein Tagebuch muss richtig verrückt aussehen, schliesslich ist er wahnhaft. Also Bilderschnipsel, vielleicht nichtmal sorgfältig ausgeschnitten oder völlig von Sinnen durch den Wahn zur Hälfte aus der Zeitung raus gerissen, halbe Textfragmente.

Ich mache mir innerlich eine Notiz, nach Videos zu suchen, wenn ich zu Hause bin. Es wäre interessant, jemanden darüber berichten zu hören, wie man sich in einem Wahn fühlt. Bis jetzt sitzt es bei mir noch mehr im Kopf, ich spüre das dazugehörige Gefühl noch nicht so richtig. Es gibt garantiert auch Spielfilme, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen? An dieser Stelle muss ich jedoch aufpassen. Wenn ich mit den Videos richtig loslege, verbringe ich die nächsten drei Stunden mit dem Schauen von Videos, statt mit Konzipieren. Es geht also darum, zielgerichtet zwei, drei gute Quellen zu finden und die dafür konzentriert zu schauen, nebenbei alles zu notieren, was bei mir im Kopf eine Zündung auslöst, was ich brauchen könnte.

Im Buchladen stöbere ich in einem Buch zum Thema Schizophrenie. Da steht folgende Szene: Ein Mann fühlt sich verfolgt und geht daraufhin extra auf einen falschen Bahnsteig, um seine vermeintlichen Verfolger abzuschütteln. Als er sich umdreht, um zum richtigen Bahnsteig zu gehen, fühlen sich die vermeintlichen Verfolger ertappt und gucken verdächtig. Beim Lesen dieser Beschreibung überfällt mich ein unangenehmes Gefühl - ich hoffe, dass ich nicht selbst wahnhaft werde, wenn ich mich mit dieser Art von Denken beschäftige.