Back to top
03 06 | '16

Unterwegs in einer Seifenblase 39

Gestern haben wir Bachelor-Abschliessende uns zu dritt noch hingesetzt und einander Feedback gegeben. Und kamen alle zu demselben Schluss: es hätte mehr sein können. Schlussendlich spürt man den Druck einer Abschlussausstellung eben doch. Wir sind mit unseren Ergebnissen alle eine Spur zahmer und konventioneller als wir es geplant hatten und als wir es vielleicht normalerweise tun würden. Eine Kollegin sagte aber einen Satz, der sehr schön war: "Du bist dir treu geblieben." Das ist das schönste Kompliment, das ich zu diesem Film überhaupt bekommen kann. Ich hab wahnsinnig mit mir gerungen, war immer wieder mal kurz davor, entweder auf eine konventionelle Lösung zu verfallen, die sicher funktioniert, meinen Prozess dem anzupassen, was man normalerweise so tut - oder alles hinzuschmeissen. Dass der Film meine Handschrift trägt und nicht eine billige Kopie der Handschrift von jemand anderem ist, war mir sehr wichtig. Egal, wie die Kritik am Schluss ausfällt - und vieles hätte ich besser machen können, sehr vieles - es war eine unglaublich tolle Erfahrung. Ich hab so viel gelernt auf diesem Weg. Nicht nur in gestalterischer Hinsicht. Auch darüber, eigene Grenzen zu überschreiten, dem eigenen Urteil zu vertrauen, Feedback einzuholen, selbst wenn man es eigentlich nicht hören will... und dass es unglaublich grosszügige und hilfsbereite Menschen gibt, die bereit sind, meine Arbeit zu unterstützen, in welcher Form auch immer. Und wie unglaublich viel Spass es macht, einen Film zu drehen. Vermutlich ist das wie bei der Geburt eines Kindes - in dem Moment verdammt schmerzhaft, aber nachher sind die Schmerzen alle vergessen. Dasselbe trifft wohl auch auf das Studium zu.

Eine Kollegin von mir beginnt diesen Herbst dasselbe Studium, das ich gerade dabei bin abzuschliessen. Ich beneide sie. Es ist so eine spannende Lebensphase - das erste Modul, die ersten zaghaften Schritte, die riesigen Selbstzweifel... Zwischendurch hab ich das Studium verflucht, auch viele Dozierende verflucht und wollte mehr als einmal abbrechen. Ich bin froh, dass ich es nicht getan habe. Es ist eine intensive, anstrengende Zeit und man kommt dabei oft an seine Grenzen. Würde ich mit den jetzigen Erfahrungen nochmals überlegen, ob ich Illustration fiction an der HSLU studiere - jederzeit wieder. Ich habe extrem viel gelernt. Darüber, wie man negatives Feedback verdaut, über Bildausschnitte und Bilderzählungen, über Freundschaften und vermeintliche Feindschaften, über Konkurrenz und Zusammenhalt. Und nicht zuletzt habe ich erfahren, wo ich mich gestalterisch hin bewegen will. Das breit angelegte Studium hat mich durch alle Sparten geführt und ich konnte ausprobieren, was mir liegt und was nicht. Und ich hab für mich eigene Motive gefunden, eine eigene Sprache, eine Spur, der ich jetzt weiter folgen kann. Eine bessere Voraussetzung für das Leben danach gibt es nicht. Ich bin von der Tintenkleckserin gestartet - eine Illustratorin bin ich nicht wirklich geworden. Mein Weg wird mich vermutlich nicht in die Illustration führen. Und doch wird sie immer ein Teil von mir sein. Das zeigt sich jetzt auch im Film, der trotz allem mit illustrativen Bildern arbeitet.

In ein paar Wochen wird alles vorbei sein. Sie wird mir fehlen, die Sentimatt. Der stinkige Ginko-Baum vor dem Gebäude, die Lösungsmitteldüfte, die aus der Druckwerkstatt in den Flur hinaus dringen, die Geschäftigkeit in den Fluren und in den Ateliers, die verrückte Atmosphäre, die tollen, ausgeflippten Menschen. Ich war wohl nicht die einzige, die sich überlegt hat: "Wenn ich jetzt absichtlich die Bachelor-Arbeit versemmeln würde, könnte ich noch ein Jahr bleiben..." Aber dann wiederum wäre es nicht dasselbe. Die Klasse wäre nicht mehr da - die Leute, mit denen man gelitten, gestritten und gelacht hat.

Aber noch ist es nicht soweit und noch habe ich hier einen Film zu schneiden. Deshalb weg mit den Sentimentalitäten und ran an die Arbeit. Fürs Abschied-Nehmen bleibt später noch Zeit genug.